#004 Christoph Maria Herbst im Interview zu „Stromberg – Der Film“

Juli 2014: Der Papa gibt Audienz: Christoph Maria Herbst spricht im Interview anlässlich des DVD-Starts von „Stromberg – Der Film“ über die Entstehung des Kinofilms und die prägnante Rolle des Bernd Stromberg, die er seit 2004 in fünf grandiosen Staffeln so unglaublich genial verkörpert hat. Selten hatte Ben einen derart angenehmen und aufmerksamen Gesprächspartner am Hörer, der authentisch und eloquent Fragen beantwortet hat, die er so oder so ähnlich schon hunderte Male gehört haben muss. Danke dafür, Herr Herbst! Und danke für „Stromberg“.

„Stromberg hat mich reich und hässlich gemacht und dazu stehe ich.“
Christoph Maria Herbst
2014
„Stromberg hat mich reich und hässlich gemacht und dazu stehe ich.“
Christoph Maria Herbst
2014

Christoph Maria Herbst: Interview zu Stromberg

Hallo, Herr Herbst.
Ich grüße Sie.

Wie viele Interviews haben Sie in den letzten zehn Jahren wohl schon zu Stromberg gegeben?
Ich habe das nie mitgezählt, aber was hohes Dreistelliges wird da schon zusammenkommen.

Das hat ja vermutlich bald ein Ende.
Ja, deswegen genieße ich dieses Gespräch mit Ihnen gerade besonders.

Ich hoffe, da war jetzt keine Ironie enthalten!
Überhaupt nicht. Wenn Sie mich jetzt hier sitzen sehen könnten, sähen Sie, dass meine Nase nicht wächst, während ich das sage. Wobei… ahhh… stimmt nicht ganz.

Und die beliebteste Frage in all diesen Interviews war vermutlich: „Wie viel Stromberg steckt in Ihnen?
So ist es. Das hat mich Johannes B. Kerner, als es „Kerner“ noch gab, damals auch gefragt. Und wie war meine Antwort? Jetzt sind Sie dran!

So schnell kann ich das leider nicht bei Google eingeben. „15 Prozent“?
Meine Antwort auf die Frage „Wie viel Stromberg steckt in Ihnen?“ war: „Den würde ich gar nicht reinlassen.“ Genial, oder? Das sind so Antworten, wo ich mich immer wieder gerne zitiere. Da sind dann Ihre Kolleginnen und Kollegen auch immer selber schuld. Wenn denen keine anderen Fragen einfallen, fallen mir natürlich auch keine anderen Antworten ein. Ich habe das dann irgendwann glaube ich noch mal ein wenig verbessert, indem ich gesagt habe, dass der Stromberg in mir nur in homöopathischen Dosen, also biochemisch gar nicht beweisbar vorhanden ist. Und dass das sicherlich auch nötig ist, um so eine Figur zu spielen. Aber ich werde auch nicht müde zu behaupten – und das stimmt glaube ich auch – dass ich mit Stromberg an sich und seinen Hauptmerkmalen und Charaktereigenschaften überhaupt nichts zu tun habe. Das ist glaube ich der Hauptgrund, warum mir diese Figur so überzeugend gelingt, denn es gibt nichts Schwierigeres als sich selbst zu spielen. Und dadurch, dass ich so eine ungeheure Distanz habe zu dieser Figur, fällt es mir auch viel leichter, mich auf sie einzulassen und in ihre Haut zu schlüpfen.

Das kann ich mir nicht so wirklich vorstellen, weil ich kein Schauspieler bin. Aber man hört ja öfter, dass die Distanz wichtig ist.
Ich glaube, Anthony Hopkins ist auch nach Hannibal Lecter in „Schweigen der Lämmer“ nicht gefragt worden: „Wie viele menschliche Lebern haben Sie eigentlich zur Vorbereitung auf diese Rolle gegessen?“ Da hilft schon die eigene Imaginationskraft, das gute Buch und ein tolles Team und Ensemble sehr – und genau davon zehrt eben Stromberg. Das macht glaube ich auch in einem hohen Maße Strombergs Erfolgsgeschichte aus, dass da alle Positionen so toll besetzt waren. Das ist ein Geschenk, das einem in seiner Karriere und Laufbahn nicht allzu häufig zuteil wird.

Dennoch: Vermisst man nach all den Jahren diesen garstigen Kauz nicht ein wenig, der einem doch ein wenig ans Herz gewachsen sein muss?
Da ist ein bisschen was dran, aber genau dafür haben wir ja jetzt die DVD auf den Markt geschmissen, man kann sich diesen garstigen Klotz jetzt jederzeit zu Hause in die Sitzgruppe holen. Das werde ich auch machen: Wenn ich das Gefühl habe, ich vergehe vor Sehnsucht, denn gucke ich mir mein „altes Ego“, wie Stromberg sagen würde, einfach noch mal aufm Plasma an und erinnere mich daran, wie schön es damals doch war.

Christoph Maria Herbst über den Stromberg-Film

Genießen Sie es vielleicht auch ein bisschen, dass Sie nun langsam frei werden von dieser Figur, die ja auch sehr vereinnahmend war?
Das wird glaube ich noch einige Zeit dauern, bis die Menschen Darsteller und Darzustellenden nicht mehr verwechseln. Da wird noch einiges Wasser den Rhein runterlaufen müssen, bis ich nicht mehr gegen die Windmühlenflügel ankämpfen muss, nach dem Motto „Leute, ich tu doch gar nichts, ich will nur spielen. Ich bin eigentlich ganz anders“ und so weiter. Das ist aber nun mal ein ungeschriebenes Gesetz von einer Serie und dann auch noch bei so einer prägnanten Figur – da liegen Fluch und Segen einfach sehr eng beieinander. Aber ich war nie im Unfrieden damit, im Gegenteil: Worüber soll ich mich beschweren? Über eine Prägnanz, die ich einer solchen Figur verliehen habe? Das kann ja wohl nicht sein und das wäre unglaublich larmoyant und auch undankbar. Stromberg hat mich reich und hässlich gemacht, und dazu stehe ich. (Lacht)

Hässlich jetzt innerlich oder äußerlich?
Also äußerlich. Wenn Sie jetzt fragen, ob mir das fehlen wird und wie es sich anfühlte, das zu spielen und so weiter: Also das ist schon sozial unverträglich gewesen, wie ich in so einer dreimonatigen Drehzeit, und so lange brauchten wir ja etwa, um eine Staffel zu drehen, mit so einem Haarkranz und einem Kinderschänderbart durch die Straßen gelaufen bin. Da habe ich mich schon dabei ertappt, wie ich den Schirm meiner Baseballmütze doch mal ein bisschen tiefer ins Gesicht ziehe, wenn ich beim Rewe an der Kasse stehe und meinen Frühlingsquark kaufe. Aber normalerweise laufe ich ja so nicht rum, ich sehe privat eigentlich aus wie Heiner Lauterbach in schön – die Leute erkennen mich auch nicht, die lassen mich in Ruhe auf der Straße. Das Problem ist eigentlich immer nur, wenn ich anfange zu reden, weil meine Stimme anscheinend auch sehr markant ist, und nicht das Äußere von Stromberg. Aber ich halte ganz viel privat die Schnauze, und dann habe ich meine Ruhe. Und im Rewe an der Kasse kann man zum Beispiel auch sehr freundlich nicken oder sehr beherzt und freundlich den Kopf schütteln. Man muss nicht immer reden – ich mache mit Ihnen hier jetzt mal eine Ausnahme.

Das ist aber sehr nett.
Ich hab eben mal versucht, mit Kopfschütteln mit Ihnen zu kommunizieren, aber das funktionierte nicht.

Gleich bei der ersten Frage Augen verdreht und Kopf geschüttelt?
Das ist richtig – in der Reihenfolge.

Der Erfolg des Films hat ja gezeigt, wie viel Potenzial das Thema immer noch hat. Ich fand es dabei irgendwie erschreckend, dass ein Film, der so eine Fanbase hat, via Crowdinvesting finanziert werden muss, während gefühlt eine alberne und unbedeutende deutsche Komödie nach der anderen ins Kino kommt. Wie sehen Sie das?
Das mit den albernen deutschen Komödien haben Sie jetzt gesagt. Aber das könnte auch ein Zitat von mir sein. Aber es ist doch eigentlich ein Geschenk, den Fan mit an die Hand zu nehmen und ihm das zu geben, wofür er uns Geld gibt. Ich glaube schon, dass wir es irgendwie auch geschafft hätten, auf anderem Wege an diese Million zu kommen, die wir noch brauchten. Aber das wäre dann irgendwie nicht mehr wirklich Stromberg gewesen. Wir wollten ja unseren Stiefel durchziehen, und das hat uns Pro7 zehn Jahre lang machen lassen. Die dortigen Redakteurinnen und Redakteure haben uns auch nie reingequatscht – das erlebt man in der Fernsehwirklichkeit auch immer seltener, eigentlich überhaupt nicht mehr, denn wenn da irgendwer die Macht hat, dann ist es der Redakteur. Und Pro7 hat uns immer machen lassen, das ist echt ein Geschenk gewesen. Das ist natürlich auch gelernt, weil die mit Brainpool schon über viele Jahre ein freundschaftliches Arbeitsverhältnis pflegen und mit Husmann auch jemanden an der Hand hatten, den sie kannten und um dessen Genialität sie wissen. Und dann haben die uns einfach machen lassen, und das war super – so etwas kann dabei rauskommen, wenn man ein kreatives Team einfach mal machen lässt und die Dinge eben nicht verbessert und verschlimmbessert werden, weil alle möglichen Leute und Nasen sich da irgendwie reinhängen. Das war glaube ich auch der Ansatz zur Finanzierung des Kinofilms – zu sagen: Leute, lasst uns so unabhängig bleiben, wie es eben geht. Viele Köche verderben den Brei und wir wollen Stromberg so machen, wie wir eben können und wie wir es immer gemacht haben. Und wenn wir da noch mehr Fremdgelder als jetzt schon mit in den Topf reinholen, dann will natürlich jeder, der die Kapelle bezahlt, auch bestimmen, was für Musik sie spielt. Das wollten wir eigentlich vermeiden, deshalb war die best-denkbare Idee, den Fan mit einzubinden, weil der weiß, dass diese 1 mit diesen ganz vielen Nullen bei uns sehr gut aufgehoben war. Und das war natürlich eine Million, die mir dann sofort überwiesen wurde, denn sonst hätte ich für diesen Kinofilm ja gar nicht zur Verfügung gestanden.

Das haben ja eh alle schon immer vermutet.
Ja, ich weiß jetzt auch nicht, was es da zu lachen gibt.

Christoph Maria Herbst im Interview: über Bürojobs

Ich habe gerade noch mal ein wenig in Ihrer Vita gestöbert und musste mit Schrecken feststellen, dass Sie ja fast selbst mal als Bankangestellter in einem Schlipsträgerjob gelandet wären.
Sogar bin – ich habe das drei Jahre lang durchgezogen. Und mit schweren Medikamenten habe ich mich dann wieder aufs richtige Gleis gesetzt, und jetzt telefonieren wir miteinander.

Hätten Sie es denn überhaupt in einem Bürojob wie in der Capitol oder auch in einer Bank ausgehalten oder hätte bzw. hat Sie das in den Wahnsinn getrieben?
Nee, dafür war die Zeit dann Gott sei Dank doch zu kurz. Ich wusste während dieser Lehrzeit auch schon, dass das nicht alles gewesen sein kann und ich eigentlich dann doch noch das probieren möchte, was ich vor der Lehrzeit schon gewollt hätte, nämlich zu versuchen meinen Traum wahr werden zu lassen, mich als Schauspieler zu versuchen. Ja, wenn ich jetzt noch bei der Bank wäre.. weiß ich nicht… dann gäb’s mich jetzt glaube ich in vier Teilen oder mit blutenden Magengeschwüren. Es gibt ja kaum eine Branche, wo mehr Köpfe gerollt sind als dort – zu Recht. Wir leben da schon in einer unfassbar schnellen Zeit. Meine Eltern haben damals nach meinem Abi zu mir gesagt „Junge, mach doch was Vernünftiges, mach doch erst mal ’ne Banklehre“ – ein Satz, der über deren Lippen heute so auch nicht mehr käme. Wer hätte gedacht, dass der Beruf des Schauspielers noch mal der vernünftigere Beruf wäre, als alte Damen am Schalter über den Tisch zu ziehen und denen einen Sparvertrag mit Versicherungsschutz über 15 Jahre zu verkaufen, obwohl sie schon 80 sind. Da habe ich in der Bank Dinge erlebt, wo ich wirklich sagen muss: Mit Stromberg tragen wir da noch dünn auf.

Vielleicht sollte man darüber besser den Mantel des Schweigens breiten.
Ich lüfte diesen Mantel sehr gerne nur im Gespräch mit Ihnen gerade. Ich erzähle das auch niemand anderem, Herr Foitzik.

Ich auch nicht.
Gut, dann bleibt’s ja wirklich unter uns, dann können wir jetzt ja auch zum privaten Teil des Gesprächs übergehen – was machen Sie denn heute Abend?

Heute Abend? Am Rechner sitzen und arbeiten.
Ach, hätte ich doch nicht gefragt! Jetzt ist mein Tag auch im Arsch.

Das tut mir leid, den wollte ich Ihnen nicht verderben. Aber das hier ist ja auch schon Arbeit gerade.
Ach so ist das – das ist ja nun auch ein Stück weit uncharmant. Ich dachte eigentlich, dass da was hätte gehen können zwischen uns, aber wenn das für Sie nur Arbeit ist, Herr Foitzik, bitte. Ich sehe gerade auch auf die Uhr, Mensch, wir haben schon 20 vor zwei. Ihre letzten 15 Fragen vielleicht noch.

Gerne: Wie viel Stromberg steckt in Ihnen?
Den lasse ich gar nicht rein. Aber das ist ’ne super Frage, die hat mir so noch keiner gestellt.

Christoph Maria Herbst über die Zeit nach Stromberg

Was ist für Sie denn Strombergs positivste Eigenschaft?
Dass er ein Stehaufmännchen ist. Dass er sich nicht unterkriegen lässt. Dass er ein Chamäleon ist, was natürlich eine positive und eine negative Konnotation hat. Er kann sich irgendwie unheimlich schnell Situationen anpassen – wie er es in irgendeinem Interview auch mal gesagt hat: Zack, biste ’n Dackel, zack, biste ’n Luchs. Und das sagt schon viel über den Charakter Stromberg, aber auch viel über unsere Arbeitswelt, denn ich glaube, das entstammt nicht nur dem Hirn eines Ralf Husmann, sondern das ist schon sehr dem Leben abgeschaut. Dass man sich an Leute anbiedert und bestimmten Menschen gegenüber so ist, wie sie einen gerne hätten. Diese fehlenden Eier und diese fehlende Authentizität, das ist sicherlich etwas, was von Millionen Menschen genau so gelebt wird.

Der Grat zwischen Chamäleon und Opportunist ist vermutlich schmal.
Das eine ist nur Lateinisch für das andere.

So ein Betriebsausflug wie von der Capitol im Film – haben Sie so etwas schon mal am eigenen Leibe erleben müssen, sind da traumatische Erlebnisse hochgekommen?
Ich bin in den Momenten, wo ich fast in solche Situationen gebracht worden wäre, immer krank geworden. Das ist ganz eigenartig, immer hatte ich dann irgendwie was – einen eingewachsenen Zehennagel oder ein Schleudertrauma – und konnte da nie mitfahren. Das ist total schade. Nee, ich hab mich diesen Dingen immer sehr entzogen, ich fand diese Vorstellung immer unschön: Mit Leuten, die man gerade eben im beruflichen Alltag erträgt, jetzt auch noch auf so ’ner Tour auf pseudo-privat zu machen. Da reicht mir eigentlich das an Erfahrungen, was ich damals auf den Klassenfahrten in der Schule erlebt habe.

Wie geht’s nun weiter in Ihrer Karriere? Sind Sie die Comedy-Rollen langsam ein bisschen leid oder ist das einfach immer noch Ihr Ding?
Ähm, lustigerweise habe ich Stromberg nie so als Comedy-Rolle reinsten Wassers empfunden, das war für mich immer eher so eine Tragedy-Rolle. Ich habe mich dem Stromberg auch nie mit den Mitteln eines Comedians genähert, sondern wir alle – ein Bjarne Mädel, Oliver Wnuk, Diana Staehly und das komplette Ensemble – haben uns unseren Figuren als Schauspieler genähert. Dass es ganz am Ende eine Büro-Comedy ist, ist schon klar, aber die funktioniert glaube ich nur deswegen, weil wir das, was wir da getan haben, und unsere Rollen so ernst genommen haben. Die Figuren an sich sind zwar mit ihren Marotten und Spleens ausgestattet, aber ansonsten sind ja eher die Situationen, in die sie geworfen werden, lustig. Die Figuren an sich sind – losgelöst von Situationen und dem Kosmos, in dem sie sich bewegen, ja erst mal nicht lustig. Insofern habe ich von Rollen dieser Art, die eine Substanz und sogar eine Relevanz haben, überhaupt nicht die Nase voll. Solche Figuren solcher Qualität, wo die Bücher auch so eine Qualität haben, werden mir nur viel zu wenig angeboten. Selbstverständlich würde ich jetzt eine Rolle, die so ähnlich ist wie Stromberg, nicht noch einmal spielen, denn dann würde ich ja Eulen nach Athen tragen und mich quasi selber plagiieren und imitieren und mich dann auch irgendwann langweilen. Aber die Komödie als Genre ist für mich nach wie vor die Königsdisziplin. Die Komödie hat in Deutschland ja auch einen Riesen-Markt, ich glaube, nichts funktioniert so gut wie Komödie deutscher Provenienz – ob’s Romantic Comedy ist oder zotig oder ob da die Torten fliegen oder ob’s da eher politisch zugeht. Das macht schon Mut, und damit können wir vielleicht auch eines der letzten großen Vorurteile „dem Deutschen“ gegenüber aushebeln. Nämlich dass er keinen Humor hätte. Das ist nun wirklich Quatsch.

Christoph Maria Herbst Interview:
Ben Foitzik
Datum:
24. Juli 2014
Ort:
Phoner
Copyright Bild:
Brainpool 2014

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