#007 Monster Magnet: „Mr. Powertrip“ Dave Wyndorf im Interview

November 2007: Wer hätte nach dem exorbitanten Power-Tabletten-Trip von Dave Wyndorf noch eine Frühjahrslorchel darauf gesetzt, dass die Psychedelic-Rock-Ikone wieder auf den Damm kommt?! Man wähnte ihn bereits im 7. Rockhimmel, mit dem Space Lord eine regenbogenbunte Lunte schmöken. Dave Wyndorf erzählt im Interviews, wie er seinen Tablettenentzug erfolgreich durchgezogen und das siebte Monster-Magnet-Album, „4-Way Diablo“, aus dem Boden gestampft hat. Dass er danach aufging wie ein Flaschenbovist – wen juckt’s!? Fakt ist, dass Monster Magnet live noch immer rocken wie eine Horde räudiger Kojoten und Dave Wyndorf einer der coolsten und sympathischsten Typen ist, mit dem Ben je sprechen durfte. Ein Hoch auf den wahren Space Lord! Möge er noch lange über die Bühnen dieser Welt rollen… äh… rocken!

„Mein Körper hat nur noch geschrien:
'Ich will Drogen!'“
Dave Wyndorf
2007
„Mein Körper hat nur noch geschrien:
'Ich will Drogen!'“
Dave Wyndorf
2007

Dave Wyndorf: Interview über Monster Magnet

Hi Dave, alte Rockikone! Du hast uns vor anderthalb Jahren einen gehörigen Schrecken eingejagt, als du mit einer Tablettenüberdosis eingeliefert wurdest…
Uhhh, ja, das war ein schlimmes Ding für mich. Ich habe mich dort in eine Situation gebracht, die ich mir nie habe vorstellen können. Entgegen landläufiger Vorstellungen und obwohl Monster Magnet viel mit psychedelischer Symbolik arbeiten, habe ich seit meiner Teenager-Zeit keine Drogen mehr genommen. Ich war kein Drogen-Typ, keiner, der sich die Rübe zulötet. In diese Situation bin ich durch verschreibungspflichtige Medikamente gekommen, durch einen Arzt! Und das, weil ich einfach nur schlafen wollte! Ich bin damals von einem Termin zum nächsten gehastet und habe die Pillen genommen, weil ich einfach nicht schlafen konnte. Letzten Endes haben mich die Pillen einfach übermannt, ich habe sie irgendwann förmlich gegessen und dann: Desaster! Interessanterweise wurde der Arzt, der mir die Dinger verschrieben hat, kürzlich von der Drogenbehörde verhaftet. Das hat mich natürlich ein wenig rehabilitiert.

Aber er wird dir ja nicht gesagt haben, dass du die ganze Flasche Pillen auf einmal nehmen sollst.
Nein, aber er hat mir Drogen verschrieben, die hochgradig suchterzeugend sind, und mir das nicht gesagt. Und dann hat er sie mir kontinuierlich weiter verschrieben. Ich war damals quasi permanent auf Tour, bin dann einmal im Jahr zu ihm gegangen und er hat mir eine Myriade Pillen verschrieben, und das ist gegen das Gesetz. Erst nach einem Jahr oder so habe ich bemerkt, dass ich süchtig nach ihnen war. Als ich ihm das mitteilte, sagte er mir „das ist schon in Ordnung“. Natürlich ist es letzten Endes meine eigene Verantwortung, aber wie ich an das Zeug gekommen bin, das war über einen Arzt, und das ist wirklich eigenartig. Das alles ist völlig aus dem Ruder geraten.

Du warst also vorher nie abhängig von Drogen?
Nein, nie. Als Teenager hat man ein paar Sachen ausprobiert, ein psychologisches Abenteuer. Aber suchterzeugende Drogen habe ich nie genommen, nur Hasch und Acid und so was. Ich bin vielleicht ein impulsiver Charakter, ein Workaholic und noch ein paar andere -holics, aber drogenabhängig zu sein ist unproduktiv. Ich möchte Dinge erschaffen, und deswegen möchte ich auch nie wieder drogenabhängig sein. Diese Droge, auf der ich war, ist wahrscheinlich noch suchterzeugender als Heroin. Es nennt sich Benzodiazepin, und wenn ich mich daran erinnere, denke ich an die schönen Gefühle, die es ausgelöst hat. Aber nach etwa drei Sekunden wird diese Erinnerung von den furchtbaren Sachen verdrängt, die mir danach passiert sind.

Kannst du dich noch an alles erinnern, was dir widerfahren ist?
Eigentlich schon. Diese Droge hat es mir erlaubt, jederzeit und überall zu schlafen. Wir haben während des Sommers das Album aufgenommen und ich bin ständig nach Europa gejettet, um irgendwelche Festivals zu spielen. Da bin ich natürlich richtig in die Pillengeschichte reingerutscht, weil ich kontinuierlich zwischen den Zeitzonen hin- und hergewechselt bin. Es ging dann so: „Ach, ich nehm’ zwei im Flugzeug“ und dann „ach, ich nehm’ drei“ oder „Wir spielen erst in zwölf Stunden? Ich hau’ mir drei Pillen rein und nehm’ mir ’ne Mütze Schlaf“ und so weiter und so weiter. Und dann hat es mich umgehauen. Ich bin wieder zurück und wollte mehr Pillen von meinem Arzt haben, aber erst wollte er mir keine geben, weil es nicht legal wäre. Dann hat er mir gesagt „nimm einfach keine mehr und es wird dir gut gehen“. Daran wäre ich fast krepiert, der plötzliche Entzug war wie eine Besitzergreifung meines Körpers, ich habe 15 Pfund in einer Woche verloren! Und mein Körper hat nur noch geschrien: „Ich will Drogen!“ Von da an bin ich immer wieder zum Arzt gelaufen und mein Körper konnte nicht genug von den Pillen bekommen. Dann kam der Zusammenbruch – unglücklicherweise war das gerade zu dem Zeitpunkt, als wir den Rest des Albums einspielen wollten.

Dave Wyndorf im Interview: neuer Respekt vor dem Leben

Hast du die Album-Texte nach deiner Genesung verändert und an deine Erfahrungen angepasst?
Nein, denn die Texte waren da noch nicht mal geschrieben. Das habe ich erst im Mai 2007 gemacht. Nur die Musik, die Arrangements und ein paar der Melodien waren geschrieben, sonst nichts. Wir nahmen also gerade die Grundspuren auf, Bass, Schlagzeug, ein paar Rhythmus-Gitarren und Solos von Ed. Und dann ging’s bei mir einfach nicht mehr und es hieß „Okay, lasst uns das Album abstöpseln“. Dann – schneller Vorlauf – in besagtem Mai, habe ich mir nach anderthalb Jahren oder so zum ersten Mal wieder das Material angehört – das war wie brandneu für mich. Und dann habe ich auch die ganzen Lyrics geschrieben – einen Song pro Tag. Die Texte sind also sehr frisch.

Hast du so etwas wie einen neuen Respekt dem Leben gegenüber entwickelt?
Weißt du was, Dude? Das habe ich tatsächlich! Ich bin einer dieser Typen, die die Straße entlanglaufen und „Hallo, Herr Vogel! Hallo, Frau Sonne!“ singen – ich schwöre bei Gott! Ich habe wie ein Bekloppter gelesen, weil ich mein Hirn wieder zusammenlöten wollte. Es ist irgendwie komisch, aber nachdem das ganze Zeug meinen Körper verlassen hatte, habe ich neue Achtung vor dem Leben gewonnen. Es ist wie eine Wiedergeburt – ohne das ganze Gott-Zeug (lacht).

Bist du nicht katholisch aufgewachsen?
Ja, bin ich.

Glaubst du dann nicht, dass es einen Hintergedanken bei deiner Genesung gibt? Dass Gott wollte, dass du der Welt noch ein paar großartige Rock-Scheiben um die Ohren knallst?
Nein (lacht), nein, es ist nichts Göttliches auf unseren Alben. Ich wurde katholisch erzogen, aber als ich zwölf oder 13 war – daran erinnere ich mich noch –, ging ich mal zu meiner Mutter und sagte „Mami, in der Kirche sagen sie mir, dass ich mich bei allem, was ich tue, schuldig fühlen muss“. Nach dem Motto „Was soll denn der Scheiß!?“ Und meine Mutter, die ebenfalls katholisch erzogen wurde und aus der Ära der 1920, 30er, 40er kommt, hat gesagt: „Zwischen dir und mir, Dave: Wenn du Tiere gut behandelst, gegenüber den Problemen anderer aufmerksam bist und zuerst an andere Menschen und dann an dich selbst denkst, bist du gut dabei. Ich entbinde dich hiermit vom Katholikentum – hab Spaß!“ Und ich sagte nur „Danke, Mami!“ Und das war’s – das letzte Mal, dass ich in der Kirche gewesen bin.

Bei mir hat’s bis 15 gedauert.
Ist schon komisch – die geben dir da eine ziemliche Hardcore-Erziehung, dieses ganze „Fühl dich schuldig, wenn du Spaß hast!“-Ding. Da denke ich immer “Alter, wollt ihr mich verarschen? Man darf nicht leben?!“ Sei einfach nett zu den Menschen, dann darfst du auch Spaß haben. Jesus, die katholische Kirche ist grausam!

Was anderes: Welche Band macht heutzutage noch richtigen Rock?
Uhhh… Mann… was ist denn heutzutage noch richtiger Rock?

Monster Magnet?
Stimmt, ich glaube, dass Monster Magnet tatsächlich richtige Rockmusik ist. Ansonsten mochte ich das Wolfmother-Album, die sind großartig. Ich hoffe, die bringen noch ein paar Scheiben raus.

Kommen allerdings so ein bisschen wie die Led-Zeppelin-Klone der Neuzeit rüber.
Ja, aber dennoch klingt es wie richtiger Rock! Die Hives mag ich auch, die machen auch noch richtige Rockmusik.

Nach denen wollte ich dich eh fragen. Die erzählen ja ständig, sie seien die beste Band der Welt.
Wer die beste Rockband der Welt ist, weiß ich nicht, aber ich mag die Hives wirklich sehr gerne. Ansonsten… wer macht heute sonst noch kompromisslosen Rock…

Gluecifer.
Yeah, Gluecifer sind großartig!

Waren.
Stimmt, waren großartig. Mein Gott, ich liebe Gluecifer. Sowieso die ganze Skandi-Rock-Szene, es gibt eine ganze Menge Zeug aus Skandinavien, das sich wie richtiger Rock anhört.

Die Hellacopters zum Beispiel.
Genau, und die haben sich auch gerade aufgelöst… Oh-oh…

Dave Wyndorf über das Album „Powertrip“

Für mich persönlich ist „Powertrip” eins der größten Rock-Alben aller Zeiten…
Danke, Mann!

…würdest du zustimmen, dass das bis dato euer wichtigstes Album war?
Auf jeden Fall das erfolgreichste! „Powertrip“ ist eins dieser Alben, das… vollkommen übertrieben ist. Ich war total angepisst, als ich es geschrieben habe – angepisst vom Rock, angepisst von meinem Plattenlabel, hiervon und davon angepisst, alles in mir war voll von Feuer und Essig. Und das Album reflektiert das auch, glaube ich, – man erkennt, dass ich irgendwie verrückt bin, aber zugleich eine ziemlich gute Zeit habe. Das war tatsächlich eine sehr gute Zeit in unserer Karriere – unsere Plattenfirma hatte uns gerade gesagt „wir haben keine Ahnung, wie wir eine psychedelische Rockband verkaufen sollen“. Und ich meinte nur „Was soll das heißen, ihr wisst nicht, wie!? Was muss ich tun? Titten und Geldscheine aufs Cover packen?! Muss ich das echt alles wie diese Rap-Typen aufziehen?“ Und als ich mich das sagen hörte, ist bei mir der Groschen gefallen, und ich dachte ‚Mensch, genau das machen wir! Nur als Witz, mal gucken, was passiert’. Und weißt du was? Die Leute fanden das verdammt noch mal geil! Das war wirklich bizarr. Alle meinten „Yeah, das ist richtiger Rock!“, und ich sagte „Leute, das ist ein Witz!“ – aber sie haben es trotzdem geliebt.

Auch diesmal gibt’s wieder Titten auf dem Cover.
Ja, eben – es funktioniert immer noch! Und wenn du einmal damit angefangen hast, kannst du dich echt schwer von den Titten trennen.

Wir haben ja gerade festgestellt, dass viele großartige Rockbands dahinscheiden – kommt bei jeder Band irgendwann mal die Zeit, wo dieser Rock’n’Roll-Ethos nicht mehr glaubhaft ist?
Hmmm… klar. Der Ethos, das Ding mit dem Rock’n’Roll ist für mich ein Gefühl, das man bekommt, wenn man in Bewegung ist, von einem Punkt zum anderen geht. Wenn du zum ersten Mal eine Band formierst, bist du wirklich aufgeregt, du bewegst dich nach vorne, fängst an live zu spielen, du schreibst, machst, bist umtriebig. Sobald du damit aufhörst, fängt es an, lächerlich zu werden, weil es keine Vorwärtsbewegung gibt. Addiere dazu den generellen kulturellen Wandel in der Welt, den das 21. Jahrhundert gebracht hat, und du erkennst, dass es ganz schön hart ist, eine gute, glaubhafte Rock’n’Roll-Band zu sein. Aber es ist möglich – solange du auf der Bühne stehst und daran glaubst, was du tust, ist das beschissener Rock, das ist großartig! Aber ich kann nachvollziehen, dass viele Leute aus Rock’n’Roll-Bands irgendwann an einen Punkt kommen, an dem sie sagen „Ich will das nicht mehr machen“. Ich selbst war vor ein paar Jahren an diesem Punkt angekommen und, was soll ich sagen, natürlich werden wir mit Monster Magnet noch hier und dort spielen, aber ich will auch andere Formen der Musik ausprobieren, ich will meinen Kopf benutzen. Rock’n’Roll sollte 150 Prozent Enthusiasmus sein, von jedem in der Band. Und wenn diese Begeisterung anfängt zu verschwinden, dann sollte auch die Band verschwinden.

Monster Magnet haben sich immer um das Klischee Sex, Drogen und Rock’n’Roll gedreht – warum ist diese Kombination so faszinierend für Musiker? Du selbst bestreitest ja die förderliche Wirkung von Drogen auf den Prozess des Musikschreibens.
Monster Magnet standen für mich immer eher für Sex und Rock’n’Roll als für Sex, Drugs & Rock’n’Roll – mit Drogen habe ich nichts zu tun. Natürlich standen meine Band und die Crew auf Drogen, Alkohol und ähnliches Zeug, aber ich habe ja nicht mal getrunken! Bei mir ging es eher um Exzess ohne Drogen. Aber das ist ja auch okay, ich habe nicht das Gefühl, dass ich deswegen kein Rock’n’Roller bin. Lass uns einfach sagen, dass sich Rock’n’Roll darum dreht, vollkommen zügellos zu sein. Und das ist natürlich für viele Leute sehr attraktiv, weil du dich in der Verkleidung als Rockband neu erfinden, ganz anders verhalten kannst und dafür sogar vom Rest der Welt gefeiert wirst.

Aber es geht doch auch um Provokation, oder?
Nein, ich glaube, es geht weniger darum, provozieren zu wollen. Die Leute wollen einfach so sein, welchen besseren Job kann es geben? „Und, was machst du so?“ „Nun, ich habe eine Ausdrucksform für meine Kreativität, ich kann schreien und heulen, und die Leute hören mir sogar noch zu, ich habe viel Spaß und bereise die ganze Welt.“ Warum sollte man so einen Job nicht lieben? Schon als Kind wollte ich das machen – allerdings wusste ich damals noch nicht, dass es auch mit sehr viel Arbeit verbunden ist. Aber allein das Image, die Seele von Sex, Drugs & Rock’n’Roll – das Reisen, die Musik, die Kreativität, der Sex… was sollte man daran nicht mögen?

Nackte Miezen, die um einen herumtanzen…
Genau, nackte Miezen! Auch deswegen habe ich das mit den Drogen nie verstanden. Wenn du nackte Mädels hast, Musik machst und reisen kannst – wozu brauchst du dann noch Drogen? Warum solltest du dich zudröhnen, da verpasst du ja das Beste! Die meiste Zeit, abgesehen von den letzten zwei Jahren, hatte ich nichts mit Drogen zu tun, kann mich an alles erinnern. Mir ging es nur um die Frauen, das war meine Schwäche. Das war, was ich wollte. Eine tolle Zeit haben, nett zu jedem sein – und Frauen. Das war’s. Und es war fucking awesome!

Dave Wyndorf Interview: über die Songs auf „4-Way Diablo“

Du bist jetzt 51 – welche Bedeutung hat Sex noch für dich?
Die gleiche wie immer, nur konzentriert es sich jetzt auf eine einzige Person anstatt auf 400 (lacht). Ich habe jetzt eine wunderschöne Freundin, wir sind sehr verliebt und das hat mich wie ein Feuerball getroffen. Das war vor drei Jahren, und ich dachte mir ‚Scheiße…’

…ich werde erwachsen…
Genau. Ich glaube, ich bin an einem Punkt angekommen, wo das genug für mich ist. Ist schon komisch, wenn so etwas passiert – es könnte an meinem Alter liegen, aber ich glaube, es liegt eher an dem Mädchen.

Man kann das ach irgendwie hören auf „4-Way Diablo“. Einige Songs sind ja fast schon… romantisch!
Yeah, das sind sie (lacht)! In vielen dieser Songs taucht meine Freundin auf, weil sie da war, als ich diesen ganzen Scheiß mit den Pillen durchstehen musste. Sie war immer für mich da und das hat uns einander noch näher gebracht. Es war wirklich viel, was sie da ertragen musste, teilweise war es die Hölle. Aber sie war immer da.

In „Wall of Fire“ singst du etwas von „Killing Nazi zombies in a German town“ – was hat es damit auf sich?
Eigentlich nichts Besonderes. Ich wollte das Bild eines Typen zeichnen, der in seinem Pool relaxt, nicht mehr zur Arbeit gehen wird – im Prinzip so ein „Powertrip“-Ding, er verlässt einfach nie seinen Pool. Er liegt dort, neben ihm ein Mädchen in der Sonne, das goldbraun wird, und er träumt irgendwann wie ein seelisch Gestörter davon, Nazi-Zombies in einer deutschen Stadt abzumurksen. Ein bisschen wie im „Hellboy“-Comic. Das ist eigentlich alles.

Ich dachte, dass man dich vielleicht buchen kann, als Schädlingsbekämpfer sozusagen.
Klar doch! Habt ihr solche Zombies? Es müssen schon Zombies sein, Nazis allein reicht nicht.

Du bist schon sehr von Comics beeinflusst, oder?
Von der Metaphorik, ja, ich liebe die Illustration, da sie einen großartigen Effekt auf die Vorstellungskraft hat. Sie ist vollkommen anders als Fotografie, vollkommen anders als Video. Illustration fängt eine Stimmung ein und erschafft sie – ich liebe das. Mir ist eigentlich sogar egal, was in den Comics drin steht. Das ist eine coole Welt – ich wünschte, ich könnte so etwas zeichnen.

In „Little Bag of Gloom“ sagst du „Wenn du niemanden an dich heran lässt, stirbst du in eines Lügners Gin“ – hat das was mit deinen kürzlich gemachten Erfahrungen zu tun?
Ja, der Song handelt im Prinzip davon, wie ich in den Spiegel gucke und einen Song zu mir selber singe. „Du dämlicher Idiot, wann hörst du endlich auf deinen eigenen Rat? Du musst dich öffnen!“ Das war nämlich das große Problem bei den Pillen. Ich bin kein Partytier, man kennt mich nicht saufend, kiffend oder irgendetwas anderes machend als zu rocken, den Ladies nachzustellen oder zu Hause mit meiner Tochter zu spielen. Eigentlich bin ich ein ganz gesunder Typ. Ich habe niemandem von den Pillen erzählt, weil es mir so peinlich war. Noch nicht mal meine Freundin wusste es – ich hätte sie einweihen sollen, sie hätte es verstanden und es wäre nicht annähernd so schlimm gekommen. Das ist an meinem Stolz gescheitert. Dämlicher Stolz – nach dem Motto „Oh, ich will nicht, dass die Leute mitkriegen, dass ich Scheiße gebaut habe“. Und was ist jetzt passiert? Jetzt wissen sie noch viel mehr, was ich für Scheiße gebaut habe! Wenn ich es gleich zugegeben hätte, wäre es nicht so schlimm gewesen wie jetzt.

Man lernt ja nie aus.
Definitiv nicht – aus der ganzen Geschichte habe ich so einiges gelernt. Ich bin nur froh, dass ich bei der ganzen Scheiße nicht meinen Verstand verloren habe.

„Little Bag of Gloom“ ist ein sehr langsamer, unmonstermagnetmäßiger Song – ziemlich mutig, so was als ultimative Rockband zu bringen.
Als ich ihn geschrieben habe, dachte ich tatsächlich, dass das nicht wirklich passen wird. Nicht nur wegen des Sounds, sondern auch wegen der Wörter. Aber drauf geschissen! Das kommt nun mal aus mir raus, und ich muss mir selbst treu sein. Ich habe lieber etwas Wahres auf dem Album als etwas Halbherziges und Unehrliches. Ich möchte ehrlich gesagt in Zukunft mehr in die Richtung von „Little Bag of Gloom“ gehen, das wird es dann auf meinen Solo-Alben geben. Kleine Stücke mit viel Atmosphäre, aber weniger Lautstärke. Es gibt viele verschiedene Arten, Atmosphäre mit wenig Lautstärke zu erschaffen – ich liebe diese Idee. Einige meiner Lieblingsmusiker haben das so gemacht – Tom Waits und sogar Elton John auf seinen ersten Alben. Diese Scheiben sind wirklich cool! Wenn ich meine ganze Fantasie und Aufmerksamkeit in diese Sachen legen würde, würde ich viel mehr „Little Bag of Gloom“-Sachen machen und hätte schnell ein ganzes Album. Diesen Weg werde ich auch einschlagen – ich werde nicht aufhören zu moshen, mich aber definitiv mehr dem Solo-Ding widmen.

Dave Wyndorf Interview:
Ben Foitzik
Datum:
1. November 2007
Ort:
Phoner
Copyright Bild:
Ben Foitzik 2011

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