#006 „Alien“-Schöpfer und Surrealist HR Giger im Interview

Januar 2012: Alien-Schöpfer HR Giger ist 2014 im Alter von 74 Jahren an den Folgen eines Sturzes verstorben. Den Einfluss des Schweizer Surrealisten auf die Kunst der Gegenwart und die Ästhetik im modernen Sci-Fi-Film kann man nicht hoch genug bewerten: Mit seiner Verschmelzung aus Organischem und Anorganischem ist er nicht zuletzt auch ein Spiegel unserer hochtechnisierten Zeit, in der Mensch und Maschine immer stärker miteinander verschmelzen und somit seiner morbiden Dystopie vom Biomechanoiden unaufhaltsam näher kommen. Vor allem mit seinem alles überstrahlenden „Alien“, aber auch mit Werken wie „Dune“, „Poltergeist“ oder „Species“ hat er das heutige Sci-Fi-Genre geprägt wie kaum ein Zweiter. Rest in peace, Hansruedi. In Erinnerung an den einzigartige, kauzigen Künstler kommt hier Bens Giger-Interview, das er 2012 im Vorfeld von dessen Ausstellung „HR Giger – Retrospektive“ in Hamburg führte.

„Manchmal sehe ich Filme mit Strukturen von Stanzabfällen, Röhren oder Radiatoren. Dann denke ich mir: Na ja, die kennen meine Sachen.“
HR GIGER
2012
„Manchmal sehe ich Filme mit Strukturen von Stanzabfällen, Röhren oder Radiatoren. Dann denke ich mir: Na ja, die kennen meine Sachen.“
HR GIGER
2012

HR Giger: Interview über „Alien“

Den meisten Menschen sind Sie als Schöpfer von „Alien“ bekannt – fühlen Sie sich manchmal ein bisschen auf diesen Film reduziert?

Nein, das macht mir nichts aus. Was soll’s? Man wird immer an dem gemessen, was am bekanntesten ist, und das scheint bei mir mit „Alien“ der Fall zu sein. Ich werde auch immer auf Horror oder weiß der Himmel was festgenagelt. Aber „Alien“ war ein guter Film, und mir hat mal jemand gesagt, es wäre enorm wichtig wenn man in so einem Film mitmacht, weil das weittragende Dinge für die Zukunft haben würde. Ich habe das dazumal nicht geglaubt, dass mir das helfen würde, ich war eher der Meinung, dass das mit Film eher ungünstig wäre als Künstler. Aber im Gegenteil, ich habe dann ja auch noch einen Oscar dafür bekommen, und das hat mir dann wohl auch genützt. Die meisten Interviews oder Artikel über mich basieren darauf, und das ist auch okay (lacht). Na ja.

Glauben Sie, dass sich Ihr Leben als Künstler anders entwickelt hätte, wenn Ridley Scott damals nicht auf Sie zugekommen wäre?

Ob mein Werk sich anders entwickelt hätte? Nein, das Interesse wäre einfach nur nicht so groß – dabei hat mir „Alien“ natürlich sehr genutzt. Ich habe das an verschiedenen Dingen gemerkt, zum Beispiel war ich in so einer Gruppe von Künstlern, und ich wurde dann immer jeweils rausgepickt aus dieser Gruppe, und die anderen wurden stehen gelassen. Das war peinlich und bitter, aber ich konnte nichts dagegen sagen. Wenn man gewählt wird wegen was auch immer, ist das immer von Vorteil, nicht wahr?

Hat der Oscar denn immer noch einen Ehrenplatz bei Ihnen zu Hause?

Der steht in der Stube, aber ich habe ihn ein bisschen verdeckt (lacht).

Wie muss man sich die Stube von HR Giger denn vorstellen? Stehen dort auch viele Ihrer Möbel?

Ja, zum Teil. Ein Tisch aus Aluminium steht dort, den ich mal gemacht habe, und dann sind große Bilder an den Wänden. Dazumal, als ich die gemacht habe, habe ich sie so angefertigt, dass sie von der Höhe her genau Platz hatten bei mir. Das Zimmer ist 2,50 Meter hoch, und die größten Bilder habe ich in 2,40 Meter gemacht, damit man sie gerade noch manövrieren und aufstellen konnte.

Also sieht es bei Ihnen fast wie in einem Science-Fiction-Film aus?

Nein, so nicht. Es ist sowieso schwierig mit Science Fiction – wie das ausschauen sollte, kann ich nicht sagen.

HR Giger im Interview: über Science Fiction

Würden Sie sagen, dass Sie einen maßgeblichen Einfluss auf die Ästhetik im Science-Fiction-Film hatten?

Ja, zum Teil schon. Manchmal sehe ich Filme, wo ich genau merke, dass die Leute, die das gemacht haben, mein Werk kennen, weil sie so viele technische Dinge drin haben oder Strukturen von Stanzabfällen, Röhren und Radiatoren oder was auch immer in dieser Richtung. Dann denke ich mir: Na ja, die kennen meine Sachen.

Erfüllt einen das eher mit Stolz oder Verärgerung?

Ach, ich denke, das freut mich eher.

Haben sich Ihre Kunst und Ihre Arbeitsweise in den letzten Jahren verändert?

Ja, ich muss Ihnen gestehen, dass ich schon lange nicht mehr Bilder male. Um 1992 herum habe ich aufgehört, und seit diesem Zeitpunkt zeichne ich nur noch, wenn mir eine Idee kommt, oder auch wenn ich einen Auftrag bekomme, mache ich nur noch Zeichnungen und bin nicht mehr versucht zu malen. Ich habe genug gemacht und befürchte, dass man sich wiederholt, wenn man zu viel macht. Ich habe 20 Jahre mit dem Airbrush gearbeitet, und das ist okay. Ich finde, das reicht dann auch.

HR Giger über seine Liebe zu Geisterbahnen

Künstler reflektieren die Welt, in der sie leben, sagt man. Was hat Sie zu der Symbiose aus Organischem und Anorganischem inspiriert, wie kam diese vermeintlich sonderbare Kombination in Ihre Kunst?

Ich liebe den Jugendstil, und meine Sachen, die auch als biomechanisch bezeichnet werden, sind dem Jugendstil ähnlich. Mein ganzes Werk ist mit dieser biologischen Mechanik durchmischt.

Die Vorliebe für das Surreale und Makabre haben Sie bereits in der Kindheit ausgebildet, richtig?

Ja, als Kind habe ich Geisterbahnen geliebt – immer wenn Rummel war, bin ich als Erstes die Geisterbahn anschauen gegangen und habe zum Teil am Aufbau dieser Panoptiken mitgeholfen und war dann wochenlang so stark beeindruckt, dass mich das dazu verleitet hat, zu Hause etwas Ähnliches aufzubauen und meine Freunde und Freundinnen damit zu beeindrucken.

Haben sich Ihre Eltern gar keine Sorgen gemacht?

Nein, die fanden das ganz normal (lacht).

HR Giger Interview:
Ben Foitzik
Datum:
20. Januar 2012
Ort:
Fabrik der Künste, Hamburg
Copyright Bild:
Ben Foitzik 2012

Weitere spannende Interviews auf hesher.de